Das Deufringer Schloss wurde im Herbst 2014 renoviert und erhielt einen neuen Anstrich der Fassade sowie ein neues Dach. Die letzte grundlegende Renovierung fand 34 Jahre zuvor statt, als das einstige Pfarrhaus und noch früher, Wohnsitz der Freiherren von Gültlingen, 1978-1980 zum Bürgerhaus umgebaut wurde.
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Wenn man die Wendeltreppe hinauf zum ersten Stock des Gebäudes steigt, betritt man einen Vorraum in dem es links in einen schönen großen und feierlichen Raum, dem sogenannten „Rittersaal“, abgeht. Rechts davon führen drei schmale Stufen hinab zu einem kleinen engen Durchlass in einen ca. 70 cm tiefer liegenden weiteren Raum. Betritt man diesen, so erwartet einen ein ca. 15 m² großen und mit einem Kreuzgewölbe ausgestatteten Raum. Die Decke ist bunt bemalt mit Rosetten und Blumenrancken. Die Wände sind teils mit verschiedenen Nischen versehen. Die rechte östliche Ecke des Raumes ist nach innen abgerundet. Ein Kenner des Schlosses weiß, dass hinter dieser Wölbung sich die innere Wendeltreppe des Schlosses befindet. Dieser Raum wird im Volksmund als die Hauskapelle des Schlosses bezeichnet.
Vor der Renovierung 1978/80 wurde dieser Raum lange als „Kinderschüle“ also als Kindergarten benutzt Damals führte eine freiliegende Treppe vom Pfarrgarten her in den Raum. Die Gewölbedecke war ganz dunkelblau bestrichen und mit goldenen Sternen versehen. Die Kinder spielten praktisch unter einem Sternenhimmel. Bei der Renovierung wurde die ursprüngliche Bemalung wieder hergestellt. Eine Zweigstelle der Aidlinger Bücherei wurde darin untergebracht. Nachdem diese aufgelöst wurde, fungierte der Raum als Stuhl- und Tischlager. Nun soll er 2014 als Trauzimmer für Hochzeiten umfunktioniert werden.
Zum Tag des offenen Denkmals am 14.9.2014 führte der Heimatgeschichtsverein Aidlingen Besucher und Interessierte durch das Deufringer Schloss. Bei den Vorbereitungen zu diesem Tag, gab der Raum und seine einstige Nutzung einige Rätsel auf. Wurde er wirklich als sogenannte Hauskapelle gebaut oder hatte er doch eine andere ursprünglichere Nutzung. Nach längeren Diskussionen, sind wir zu folgenden Überlegungen und Fragen gekommen, die gegen eine ursprüngliche Kapelle im Schloss sprechen:
1. Warum sollten die Freiherren von Gültlingen sich eine Hauskapelle errichten, wenn nur wenige Meter vom Schloss entfernt, die Deufringer St. Veit Kirche liegt. Eine Hauskapelle ist auch typisch für Menschen, die dem katholischen Glauben anhängen – die Familie ‚von Gültlingen‘ war zur Zeit des Schlossbaues ( ab 1592) jedoch schon lange reformiert!
2. Der Raum enthält keinerlei sakrale Elemente. Ein auf die Wand bemalter Eselskopf spricht entgegen eines christlichen Raumes.
3. Die Harmonie und Architektonik des Raumes sprechen gänzlich gegen eine typische Hauskapelle.
Warum dann hält sich also so wehement in der Öffentlichkeit der Glaube an eine Hauskapelle der einstigen Bewohner des Hauses? Könnte es sein, dass in der Zeit, als das Schloss Pfarrhaus war (ab 1746) eine kleine Hauskapelle (Andachts- oder Gebetsraum) für die Pfarrersfamilie eingerichtet wurde ? Beweise hierfür gibt es jedoch nicht.
Vergleicht man Bilder mit der sogenannten Trinkstube des romantischen Schlosses Lichtenstein am Fuße der Schwäbischen Alb, dann erkennt man eindeutige Parallelen zu unserem Raum. War die vermeintliche Kapelle eine Trinkstube der Freiherren ? Beweise hierfür könnten die Laibung in der östlichen Mauer des Raumes sein, in der die Tür eines ehemaligen Wandschrankes eingelassen sein könnte und der eingemauerte Türsturz in der inneren Wendeltreppe , die ein Eingang vom Inneren in die Wendeltreppe vermuten lassen. Konkreter wird der Gedanke, wenn man weiß, dass 1/2 Stockwerk tiefer auf der hinteren Seite der Wendeltreppe ein kleiner gewölbter Keller sich befindet. In diesem Keller lagerten zu freiherrlichen Zeiten die besseren Weine und Speisen. Über dem kleinen Keller befand sich die Küche des Hauses, also ebenfalls in der Nähe. So könnte durchaus das Bild entstehen, dass der Raum einst als repräsentativer Raum genutzt wurde, in dem Gäste empfangen und verköstigt wurden und in dem auch Trinkgelage stattfanden. Auch der im Volksmund überlieferte „Rittersaal“ könnte darauf hindeuten, dass dieser Raum einst eine Art kleiner Rittersaal darstellte. Als das Schloss ausgangs des 16. Jahrhunderts gebaut wurde, waren die Freiherren schon lange keine wirklichen Ritter mehr. Dennoch hielten adelige Familien große Stücke ob ihrer Ritterlichkeit und trugen dieses auch nach außen – unter anderem mit ritterlich ausgeschmückten Räumen. Es unterschied sie zum gewöhnlichen Volk und Pöbel.
So darf man im Fall des Deufringer Schosses durchaus von einem kleinen Rittersaal ausgehen, der im Laufe der Zeit und durch Unwissenheit, für eine Hauskapelle gehalten worden ist. In der Zukunft sollte also nicht mehr von einer Hauskapelle gesprochen werden. Stattdessen sollte der Raum zum „kleinen Rittersaal“ umbenannt werden.
Text und Bilder von Andreas Wolf