HOCHZEITSGLÜCKWUNSCH
Für ein wohllöblich-schultheißenamtliches Brautpaar –
Rathaussekretär und Schulzentochter
Der Heimatdichter und Lehrer Christian Breitling, geb. 1873 in Dachtel, gibt im Jahr 1924 in seinem „Hochzeitsglückwunsch“ der jungen und Schulzentochter Marie aus Dachtel Ratschläge für den Umgang mit ihrem frischangetrauten Ehemann und der fremden großen Welt in Stuttgart, wo sie künftig als Ehefrau deines Rathaussekretärs leben wird.
Fortsetzung und Schluss
Wenn er n’Kleid kauft ond en Huet
ond sait, dees stand diar schö ond guet
no‘ noh strahlend:“Des isch fei‘!“
au wenn du mei’st, s sott anderst sei‘.
Nemmt er di zum Spaziergang mit
mach kleine, nette Dame‘-schritt!
Trag em Theater ond Konzert
kein Huet, wo andre d Aussicht sperrt,
denn d Stuagerter, dees dr glei,
send en deam Stück net bsonders fei‘
ond wege‘ so r n‘ Sach
om s Numgucke‘ de‘ gräußte‘ Krach.
Sprich hochdeutsch, dees isch elegant,
denn o-ser Sproch paßt bloß uf s Land;
ond merk diar: en dr Gsellschaftswelt
ist s wichtigst, das mr net uffällt.
Em übriche‘ mach d Auge‘ uf
no kommst du bald vo selber druf
was Brauch isch bei de Herre‘-leut
ond ka’st di zeige‘ jederzeit
wia jede andre Herre‘-frau,
denn so hell isch mr z Dachtel au!
Ond bsonders möcht i diar empfehle‘:
Laß jo fei‘ net am Esse‘ fehle‘!
Do send se von de Kosttisch her
e’weng verwöhn – ond manchmal sehr!
Daß jo dr Berte‘ net verbrennt
ond daß des bißle Milch net g’rennt,
wenn du s host übrem Fuier hange‘;
do ka‘st net gschwend n’ andre lange‘.
Zom Vesper holst ehm Bier ond Wei‘,
am Obed schenkst n‘ Teele ei‘,
ond wenn er Honger hot e‘ weng
no brengst ehm d Überleng
vom Mittag, dia weant nui frisiert
ond stolz als „ Gulasch“ präsentiert.
Für Butter zuom Kaffee am Morge’
läßt o-scheniart dei‘ Mueter sorge‘,
au für Grombire‘, Kraut ond Schmalz,
für Schnitz ond Zwetschge‘ ebefalls.
Zom – Säule oder Rend –
fahrnt r halt uf Dachtel geschwend,
ond wenn dei‘ Ma‘ kein kriegt
no‘ nemmt dei Vadder ganz vergnüegt
sein raus ond packt n schwer
– dees ka‘n er noh vom Kommiß her –
ond gondet no‘ en äller Rueh
uf Gärtringe‘, am Bahhof zue.
Do tuet r jedefalls net klemme‘,
denn d Rothausherre‘ haltet zsämme‘,
dees isch jo jederma‘ bekannt –
dia von der Stadt ond dia vom Land.
So Marie, wenn dees älles bhältst
ond di so zu dei’m Ma‘ verhältst
wia-n-i diar, en älle Stückle‘,
no‘ ka’st ehn om en Fenger wickle‘.
No‘ brengst ehn zletzte‘ noh so weit
daß er en äller Freundlichkeit
sogar e’weng em Haus rom schafft
beim Dünste‘ ond beim Hembeersaft,
daß er au hilft beim Gschirrabwasche‘,
sowie beim Schwenke‘ vo de Flasche‘,
beim Klopfe‘ von de Sonntechkleider,
beim Stiefelputze‘ ond so weiter.
Bloß därfst dees no‘ kei’m Mensche‘ sage‘,
dees könnet d Manne‘ net vertrage‘,
sonst heißts:“Dees ist n‘ rechter Stoffel,
der stoht jo ganz ontrem Pantoffel“;
ond seine von ledich her
lachet ehn aus ond föpplet schwer.
Also do mueßt politisch sei‘,
no brengst ehn schao en Karre‘ nei‘,
dees ka jo eine wia de ander.
bleibet gsond ond brav mit‘nander
ond wandret feierlich Hand en Hand,
no geits en schöne‘ Ehestand.
Nagold 21.4.1924, K.C. Breitling
von Siegrid Krülle