„An Ostern trafen sich die Kinder aus Dachtel auf der ‚Osterwiese‘, die war ‚am Bach‘. Die kleinen kamen mit, die größeren Kinder meist ohne Eltern. Sie brachten alle ihre Ostereier mit, die die Mutter mit Zwiebelschalen – später auch manchmal mit gekauften bunten Farbblättchen – gefärbt hatte, und schmissen sie in die Luft. Die Eier sollten möglichst lange unbeschädigt bleiben, waren sie aber kaputt, wurden sie aufgegessen. Allen machte das viel Spaß, es ging bei uns nicht darum, wer am besten war.“ Von dieser Tradition des Eierwerfens erzählte Frau Elsa Wissmann (1913 – 2012) in ihren Kindheitserinnerungen. Der Brauch war offenbar in den späteren Nachkriegsjahren eingeschlafen, wie auch viele der anderen Spiele, mit denen sich die Kinder in jener Zeit, als es kaum Spielzeug gab, am Bach, den angrenzenden Wiesen oder sonst in der freien Natur vergnügten .
Hatte es eine Osterwiese auch in Aidlingen und Deufringen gegeben? In Deufringen, so war aus einer Gruppe Alteingesessener zu vernehmen, hatten wir einmal eine Osterwiese, sie war am Ortsausgang Richtung Gechingen links hinter der letzten Mühle. Was Aidlingen betraf, erinnerte sich Frau Gudrun Ströbel: „ Ja, es gab eine Osterwiese, und die lag ‚am Seele‘ an der Straße Richtung Deufringen.“ Frau Erika Oehler beschrieb es so: „ Ein ganzes Stück hinter der Oberen Mühle ist eine zweite Brücke, da war eine Falle, dort wurde die dahinterliegende Fläche überflutet. Im Winter wurde da wohl auch Eis für die Brauereien geschlagen. Von der Straße aus betrachtet, war links die Osterwiese und rechts ‚das Seele‘. Man sieht heute noch eine Vertiefung.“ Unser freundlicher Postbote Herr Reichert gehört zu den letzten Jahrgängen, die als Kinder das Eierwerfen noch
miterlebten. In seiner Familie sprach man vom „Sai“, wenn man zum Eierwerfen ging. „3 m – 5 m hoch und weit musste es schon sein, dabei wollte jeder, dass seine Eier möglichst lange ganz blieben und er der Sieger war. Auf‘s Glück kam es an, und das größte Glück hatte dann oft derjenige, dessen Ei auf einen der zahlreich vorhandenen Maulwurfhäufen fiel.“ In der Zeit , als die Buchhaldenschule
gebaut wurde, schlug offenbar für „das Seele“ und die Aidlinger Osterwiese die letzte Stunde.
Frau Anne Scheuble vom Lerchenhof weiß Besonderes von Lehenweiler zu erzählen. „In Lehenweiler gab es keine Osterwiese, aber einen ‚Osterberg‘. Der war am Venusberg und über einen kleinen Weg zu erreichen, der, wenn man auf der Hauptstraße ortsauswärts ging, hinter dem vierten oder fünften Haus nach der früheren Milchannahmestelle abzweigte. Nach etwa 150 m kam man zu unserem
Osterberg. Klein und Groß traf sich da oft, auch Verwandte waren manchmal dabei, an Ostern besuchte man sich gerne. Am unteren Teil des Hangs hatten die größeren Kinder am Tag vor Ostern aus grünen Weiden- oder ähnlichen Zweigen eine Reisighecke geflochten und dahinter Moos ausgebreitet. Die Eier, die die Kinder am nächsten Tag bergwärts warfen, konnten auf diese Weise nicht abrollen und blieben im Moos liegen. Derjenige, dessen Eier am längsten unversehrt blieben,
war der ‚Eierkönig‘. Es kam dabei sehr auf die Art der Eier an. Rundere waren weniger empfindlich als spitze. Ganz Gescheite versuchten es gelegentlich mit unzerbrechlichen Kunsteiern. Nach dem Krieg war der Spaziergang zum Osterberg zunächst noch üblich. Heute ist der alte Osterberg zugewachsen.
Vor ein paar Jahren haben Gemeindearbeiter das Gebiet nochmals etwas gelichtet und gesäubert. Im jetzigen Zustand kann man ihn aber nicht mehr wie früher verwenden.“
Schade – denn vielleicht wäre das Eierwerfen auf der Osterwiese oder auf dem Osterberg ein Brauch, den man wiederentdecken und noch einmal zu neuem Leben erwecken könnte.
von Siegrid Krülle