Dorfmorgen im Winter

Zum Jahresbeginn grüßen wir die Aidlinger aller Teilorte mit einem weiteren Aufsatz unseres Heimatdichters Otto Gotthilf Groß aus Lehenweiler. Er hat diesen Schulaufsatz geschrieben, als er knapp 13 Jahre alt war.

Dorfmorgen im Winter

Von Otto Gotthilf Groß, geb. 1915

Schulaufsatz vom 9. 1. 1928

Noch ist’s nicht ganz hell. Leise wirbeln die Flocken durch den dämmernden Morgen und bilden am Boden eine stetig wachsende Decke, eine Meise zwitschert jammernd vom nahen Apfelbaum herüber und der Hahn kräht zur zweiten Mal. Sonst verriet nichts Leben im kleinen Dorf. Doch plötzlich öffnet sich ein Fenster, „hu wie kalt“ hört man sagen, und klirrend fliegt das Fenster wieder zu. Jetzt kräht der Hahn zum dritten Mal und wie auf ein Signal werden einige Stalltüren geöffnet, welchen warmer Dampf entströmt. „Gota morga, schau monter“, ruft die im Dampf stehende Gestalt dem Nachbar zu, und: „Gota morga“ tönt es zurück. Und jetzt geht’s ans Tagwerk. Kräftige Arme regen sich und reinigen den vollgepfropften Stall. Auch droben im Zimmer wird’s lebendig und graue Rauchwolken entströmen dem engen Kamin, hinaus in die Freiheit des grauenden Tages.