Von Schulbehausung, Schulmeister und Schulgeld  – zur Geschichte unserer Schulen Teil I

Unsere Kinder sind längst ins neue Schuljahr gestartet. Die Aidlinger und Lehenweiler Schulkinder marschieren bzw. fahren in die Buchhalden- und Sonnenbergschule in Aidlingen, die Deufringer und Dachteler in die Schallenbergschule in Deufringen oder auch die Sonnenbergschule in Aidlingen. Alle drei Schulen stammen aus neuerer Zeit und orientieren sich in Einrichtung, Führung und Lehrinhalten an modernen Konzepten. Daran sind wir gewöhnt. Wie aber sah es mit der Schule in zurückliegenden Zeiten aus?

Von der Latein- zur „Deutschen Schule“

Von der Einrichtung einer allgemeinen Schule kann man bei uns erst seit dem 16. Jahrhundert sprechen, als nach der Reformation im Zusammenhang mit der neuen Lehre in beträchtlicher Zahl „Deutsche Schulen“ etabliert wurden. Sie standen im Gegensatz zu den Lateinschulen, die schon seit dem Mittelalter in den Städten von kirchlichen Institutionen gepflegt wurden. In den Dom-, Kloster- und Stiftsschulen wurde der Unterricht in Latein abgehalten, sie bildeten vor allem den Priester- und Gelehrtennachwuchs heran; städtischen Pfarrkirchen waren manchmal auch Gemeindeschulen angegliedert. Erst seit der Reformation erfassten jedoch die  Schulen zunehmend alle Kinder in Stadt und Land, und der Unterricht wurde in deutscher Sprache abgehalten. Das gemeine Volk sollte seine allgemeine Bildung verbessern, sich im neuen Glauben und evangelischen Gottesdienst üben und Luthers Bibelübersetzungen verstehen können. Daher waren die Unterrichtsfächer vor allem Gesang und Katechismus sowie Lesen und Schreiben. Eine Erste landesweite Schulordnung für Württemberg wurde 1559 mit der Großen Kirchenordnung erstellt. Das Bildungswesen wurde von einer Gemeinde- zu einer Staatsaufgabe. Noch gab es aber keine besondere Ausbildung für die Lehrer. „Schulmeister“ konnte grundsätzlich jeder werden, der von den genannten Unterrichtsfächern etwas verstand. Häufig war Schulmeister der Mesner, da er sich als Helfer des Geistlichen im allgemeinen im Singen und Lesen auskannte. Im Mesnerhaus oder der Wohnung eines sonstigen Schulmeisters fand in der Regel auch der Unterricht statt, denn eine eigene „Schulbehausung“ gab es kaum. Auch eine allgemeine Schulpflicht gab es lange nicht, sie wurde in Württemberg erst 1648 und in anderen Regionen noch später eingeführt.

Aidlingen: Die Alte Schule zwischen Kirche und Rathaus

In Aidlingen hat nachweislich ab 1558 ein Jerg Wirt bis zu seinem Tod 1567 als wohl erster Schulmeister gewirkt. Er war Aidlinger, hatte in Tübingen studiert und führte ab 1558 die Aidlinger Kirchenbücher (s. Emberger, Ortschronik, S. 202 f.). Zu einer zusätzliche Tätigkeit als Schulmeister passen die Angaben im Lageplan von Aidlingen um 1579. Dieser Plan zählt in seinen „Erläuterungen“ als Kirchliche Gebäude u.a. auf „Heiligenhaus, im Kirchhof, ab 1559 Schule mit  Schulmeisters- und Mesnerwohnung…“. Unter „dem Heiligen“ verstand man das Kirchenvermögen, das Heiligenhaus diente der Verwaltung dieses Vermögens. Im Plan ist jetzt auch in nördlicher Nachbarschaft, aber außerhalb des Kirchenbezirks, erstmals als Öffentliches Gebäude eingetragen „Rathaus vor 1568 erbaut“. Im Plan von 1523 befindet sich an dieser Stelle noch ein freier Platz, wie es auch noch keinen Hinweis auf eine Schule gibt. Mit der Einrichtung des Schulwesens im 16. Jahrhundert setzte sich auf den Dörfern nach und nach auch der Bau von Rathäusern durch, die dann häufig – wie bei uns in Deufringen und Dachtel – zugleich als Schulhaus dienten (s. Janssen, Ortschronik, S. 161). Um 1600 versah ein aus Dagersheim stammender Georg Wirt das Schulmeister- und Mesneramt in Aidlingen. Während seiner Zeit wurde offenbar 1603 eine neue Schule mit einem Schulraum gebaut (so Emberger, Ortschronik, S. 203, m.w.N.). 1600 wurden z. B. 30 Schüler gezählt, 1604/05 waren es 40 an der Zahl. Mädchen waren nicht dabei. Sie waren zwar grundsätzlich zugelassen. Sie erhielten aber eher Privatunterricht beim Pfarrer oder einem schon im Ruhestand befindlichen Schulmeister. Grundsätzlich erhielten die Lehrer eine Besoldung in Geld und Naturalien (bestimmte Mengen Roggen, Dinkel und Hafer), ferner von jedem Bürger zwei Laib Brot pro Jahr. Die Schüler mussten außerdem Schulgeld bezahlen, z.B. im Jahr 1600 5 Schilling, um 1800 dann in der neuen Währung 0,5 Gulden pro Jahr. Die Einnahmen aus Schülergeld machten z.B. im Jahr 1600 zusätzlich fast ¾ der von der Gemeinde gewährten Besoldung aus, nämlich ca. 7 Pfund Heller zusätzlich zu den ca. 10 Pfd. durch amtliche Besoldung (s. Ortschronik, S. 204). Die ohnehin knappe Besoldung des Lehrers, der von seinem Geld auch seinen Hilfslehrer bezahlen musste, löste einen Dauerstreit aus. Denn über die Hälfte der Eltern konnte das Schulgeld kaum oder nicht bezahlen, auch die geschuldeten Naturalien nicht aufbringen – die Lehrer hatten folglich mit dem Eintreiben angesichts der vielen Armutsfälle höchsten „Verdruss“. 1706 übernahm in Aidlingen die „Lehrerdynastie der Walcker“ den Unterricht. Nicht zuletzt unter ihrem Einfluss konnte um 1790 trotz Widerstands des Magistrats eine herzogliche Anordnung erreicht werden, dass die Gemeindekasse die Leistungen ärmerer Bewohner zu übernehmen habe (Schurig, Ortschronik, S. 374). Das Armutsproblem blieb im 19. Jahrhundert bestehen. In vielen Fällen bezahlte auch jetzt die Stiftungspflege das Schulgeld für die Kinder (s. Waibel, Ortschronik, S. 418). Hinsichtlich des Schulgebäudes und Schulraums hatte sich offenbar lange nichts Wesentliches geändert, Reparaturen und Renovierungen einmal außer Acht gelassen. Die Lagepläne von Aidlingen um 1680 und 1742 weisen die nahezu gleichen Erläuterungen und Kennzeichnungen auf wie der von 1579. „Heiligenhaus, im Kirchhof, Schule mit Schulmeisters- und Mesnerwohnung“ heißt es da jeweils, die Beschriftung für das in den Plänen eingezeichnete Gebäude lautet in beiden Fällen „Des Heiligen Haus, Schule“. Die Orte hatten durch den 30-jährigen Krieg, weitere Kriege und andere Unglücke schlimme Zeiten und Zerstörungen erlebt und erholten sich langsam. Die Bevölkerungszahl hatte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in unseren Dörfern und vor allem in Aidlingen stark zugenommen. So war gegen 1800 auch die Schülerzahl angestiegen und eine Schule mit einer doppelten Schulstube und einem zweiten Provisor der allgemeine Wunsch. 1818 ließ die Gemeinde ein neues größeres Schulhaus auf dem Platz des bisherigen alten Schul- und Mesnerhauses erstellen. Die Karte von 1830 weist es als „Schulhaus mit Nebenhaus im Kirchhof“ aus. Das Gebäude kostete 8.000 Gulden. Es diente bis zum Bau der Buchhaldenschule im Jahr 1951 als Schulhaus. Danach wurde es noch einige Jahre als Wohnhaus genutzt – für Flüchtlinge waren sechs Wohnungen eingebaut worden (s. Futter/Häge sowie Kubin, Ortschronik, S. 511 bzw. S. 720). 1968 wurde die alte Schule abgebrochen – für viele Aidlinger ging damit eine Ära zu Ende.

von Siegrid Krülle