Schulferien und Urlaubszeit „Schaffen mussten wir“

Seit eh und je freuen sich die Schüler auf die unbeschwerte Zeit der Sommerferien. Heute träumen in der Sommerzeit auch die Erwachsenen von Urlaub, Erholung, Reisen, Abenteuern. Das war nicht immer so. Erst die moderne Arbeitswelt, technischer Fortschritt, Mobilität und der zunehmende Wohlstand der Nachkriegszeit führten nach und nach zu einer neuen Einstellung und einem veränderten Umgang mit der „freien Zeit“ – Urlaub hat etwas mit erlauben zu tun. Es war ein sozialer Fortschritt, als den in einem bestimmten Dienstverhältnis stehenden Menschen eine Zeit der Erholung von der Arbeit zugebilligt wurde.

Bis in die sechziger, siebziger Jahre waren jedoch Gegenden wie die unsere bäuerlich, überwiegend kleinbäuerlich geprägt. Da galten solche Gedanken nicht. Schon immer waren der Alltag der Bauern und ihrer Familien von der unumgänglichen täglichen Arbeit für Feld und Vieh bestimmt und sie dadurch angebunden. Fürs Ausruhen von der schweren Arbeit mussten ein paar Stunden am Sonntag genügen.

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Wir haben einige Bewohner unserer Orte, Jahrgang 1923 bis 1956, also etwa 60 bis 90 Jahre alt, nach ihren Erinnerungen befragt. Was haben Sie in den Sommerferien gemacht und erlebt, als Sie damals noch in die Schule gingen? Wie war es bei Ihnen mit dem Urlaub?

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Alfred Breitling vom Waldeckhof in Deufringen, Jg. 1931, bis heute Bauer durch und durch und aus altem Deufringer Holz geschnitzt, lacht da nur: „Schaffen mussten wir in den Ferien. Die Eltern haben schon gewartet, bis man von der Schule nach Hause kam. Glauben Sie, dass das immer so schön war? So schön war die Zeit nicht. Es gab noch nicht so viel Maschinen wie heute, alles musste von Hand gemacht werden. Jeden Tag wurde am frühen Morgen Futter geholt, von Hand gemäht und aufgeladen. Alle Bauern hatten damals noch Milchvieh, das täglich gemistet und geputzt werden musste. Oft haben wir Kinder gerne mitgeholfen, oft mussten wir aber auch verzichten.“ Und dann wird er nachdenklich. „Heute ist es einfacher und leichter. Aber ist die Zeit heut besser? Die Zeit prägt die Menschen. Oder ist es umgekehrt? Auch nach uns geht’s weiter. Und man muss akzeptieren, dass andere mit anderer Meinung nachkommen und die umsetzen wollen. Zur Zeit meiner Eltern war allerdings ein jeder für den Betrieb da, jeder ordnete sich dem Hof unter, heute geht man viel mehr seinen eigenen Zielen nach. Das ist meiner Meinung nach ein Problem.

Wie das früher bei uns mit dem Baden im Sommer und speziell in den Ferien war? Schwimmen habe ich in der Irm im ‚Gechinger Tal’ gelernt, gleich hinter der Markungsgrenze zwischen Deufringen und Gechingen war unser Badeplatz. Die Stelle war betoniert, das hatte mit dem Bewässerungssystem zu tun, das hier für die Wiesen der Umgebung eingerichtet war. So konnte in den wasserknappen Jahren 1946/47 für die Wiesen vom Bach Wasser hergeleitet werden. Später sind wir manchmal mit dem Rad nach Stammheim ins Schwimmbad gefahren, auf dem Rückweg ging das ganz schön bergauf. Da es Eintritt kostete, konnten wir uns das Vergnügen nur ab und zu leisten.

Natürlich gab es bei uns Bauern keinen Urlaub. Das Wort Urlaub kannten wir nur von den Soldaten. Heute ist der Urlaub ein Wirtschaftsfeld, wo Geld umgesetzt wird. Die einen leben davon, die anderen haben das Vergnügen.“

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Heinrich Stürner, Jg. 1923, wohnt in Deufringen, ist aber in Aidlingen aufgewachsen und kennt die Aidlinger Verhältnisse. Den großväterlichen Stürnerhof im Winkele hatte nicht Heinrichs Vater Gotthilf, der Sattler wurde, sondern dessen jüngerer Bruder übernommen. Der hieß ebenfalls Heinrich und hatte keine weiteren männlichen Familienmitglieder auf dem Hof. So war es nicht nur selbstverständlich, dass Gotthilf bei Bedarf zupackte, sondern dass auch dessen Buben Heinrich und Walter – wegen des von der Mutter betriebenen Lebensmittelladens „Lädles-Heiner“ und „Lädles-Walter“ genannt – auf dem Hof des Onkels zu Hause und erwünschte, aber auch begeisterte Helfer waren. „Ich kam 1929 in unserem alten Aidlinger Schulhaus in die Schule. Wann die Sommerferien begannen, bestimmten die Witterung und die Bauern. Die Bauern meldeten, wann das Wetter für die Ernte recht war, dann gingen die Ferien los. In die Ferien fielen die zweite Heu- und die Getreideernte. Alle mussten helfen, da alles von Hand gemacht wurde. Kein Schlepper, kein Mähdrescher wie heute – das war alles in weiter Ferne. Zuerst wurde der Weizen, dann der Hafer geerntet. Dinkel wurde schon weniger angebaut, er war weniger ertragreich und wegen des besonderen Fruchtstands schwerer zu mahlen als Weizen. Wenn der Weizen gemahlen wurde, blieben die Bauern dabei, um sicher zu sein, dass es ihr Weizen war. Das Mahlen geschah in zwei Gängen, ich war mit meinem Onkel öfters in der Wolflesmühle dabei.

Ich habe nach dem Ende der Schulzeit eine Lehre als Werkzeugmacher gemacht und arbeitete bei Daimler weiter, als ich von Krieg und Gefangenschaft zurückkam. Meinen Urlaub nahm ich in der Erntezeit und half beim Onkel. Daimler hatte aber damals schon Ferienhäuser, um den Arbeitern zu einer Erholungszeit zu verhelfen. Für einen zweiwöchigen Aufenthalt musste man nur 6 Urlaubstage einbringen, eine Woche bekam man wie auch einen Zuschuss geschenkt. Das haben meine Frau und ich mehrere Male in Anspruch genommen. Unsere Firma hat gut für uns gesorgt.“

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Von schwerer Bauernarbeit kann auch Frau Ruth Mohr, geb. Eisenhardt, aus Dachtel ein Lied singen. Sie ist 1929 geboren, die Eltern hatten einen kleineren Hof, der Vater starb jedoch, als sie 12 Jahre alt war. Drei Jahre musste sie wie die übrigen Dachteler Kinder auch zu Fuß nach Gechingen in die Schule gehen, denn zu Kriegsbeginn war Lehrer Marstaller wegen seiner jüdischen Frau von seinem Dienst als Lehrer der einklassigen Dachteler Schule suspendiert worden. Trotz des anstrengenden Schulweges musste das Schulmädchen Ruth nach der Rückkehr zu Hause gleich wieder bei der Arbeit mithelfen, im Stall, auf dem Feld, in der Küche. „Meine Mutter war eine gute Mutter, wenn sie z. B. auch geschimpft hat, als ich einmal den Kochtopf mit dem Gselchten hab überkochen lassen. Ich erinnere mich daran bis heute. Nach meiner Heirat bin ich noch 16 Jahre lang nach Hause gegangen und habe den Stall gemacht. 1978 haben wir das Vieh aufgegeben. 1985 wurde das alte Fachwerkhaus abgerissen (s. Bildband Dachtel und Deufringen in alten Ansichten, Nr. 27). Mit meinem Mann war ich danach jedes Jahr eine Woche in Urlaub, meistens waren wir in Südtirol. Vor zehn Jahren ist er gestorben.“

Fortsetzung folgt

Siegrid Krülle