Schafherden gehören schon immer zu unserer Kulturlandschaft – zur Tradition der Schäferei in Aidlingen und seinen Teilorten

Das Lamm in der österlichen Symbolik

Es ist Osterzeit. Ostern wird hierzulande jährlich am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond gefeiert. Erst seit etwa 400 Jahren gehören in Mitteleuropa Osterhase und Ostereier zum österlichen Brauchtum. Sie sind alte Fruchtbarkeitssymbole. Auch andere österliche Bräuche beziehen sich auf den Frühlingsbeginn und symbolisieren das Entstehen und Werden des Lebens.

Das Tier, das nach christlicher Vorstellung zum Osterfest gehört, ist das Lamm. Als Lamm bezeichnet man ein junges Schaf bis zum Alter von höchstens einem Jahr. Schon vor der Ausbreitung des Christentums galt das Lamm als Symbol für Unschuld und Wehrlosigkeit, das Alte Testament kennt das Lamm als Opfertier, und das Christentum übertrug dann den Gedanken auf Jesus Christus, der sich als „Lamm Gottes“ stellvertretend für die Menschen opferte. Im frühen Christentum war das „Osterlamm“ die erste Mahlzeit nach dem Ende der Fastenzeit, vorher wurde es nach der Schlachtung am Altar geweiht. Die Weihe eines gebackenen Osterlamms ist bis heute in vielen Gegenden üblich, und der Lammbraten ist in manchen Gegenden noch heute ein bevorzugtes Osteressen.

Das Lamm und ebenso der Hirt und seine Herde sind fester Bestandteil der christlichen Symbolik. Das mag auch mit dem Wert zusammenhängen, den Schafe für das tägliche Leben und Überleben der Menschen in den Gegenden hatten, in denen sich das biblische Geschehen abspielte.

Zur Geschichte und Bedeutung der Schafhaltung

Die Schafhaltung gibt es seit Tausenden von Jahren. Die Wurzeln liegen im Mittelmeer- und vorderasiatischen Raum. Schafe eigneten sich für die Tierhaltung aus mehreren Gründen besonders. Sie lassen sich vielseitig nutzen, liefern Wolle, Pelze, Leder, Fleisch und Milch. Sie sind genügsam und anspruchslos in der Haltung, magerste Wiesen und Feldränder reichen ihnen. Sie vertragen jedes Klima und brauchen keinen Stall, wichtig für Nomaden. Die Größe ist praktisch – das Fleisch selbst ein ausgewachsenen Tieres kann eine Familie bewältigen, so dass es auch ohne Kühlmöglichkeiten im Sommer nicht verdirbt.

Auch in unserer Gegend war die Schäferei seit jeher zu Hause. Den württembergischen Herrschern lag es schon im 15. Jahrhundert am Herzen, die Wollproduktion zu fördern und die Untertanen zur Schafhaltung anzuhalten, um auf diese Weise die vielerorts kärglichen Böden und steinigen Hanglagen zu nutzen. Wolle war damals der wichtigste Rohstoff für die Kleidungsherstellung. Gegen 900 Tiere wurden im 18. Jahrhundert allein in Aidlingen gezählt. „Über dieses alles, so stehet die Aydtlinger Schaaff Heerd in so gutem Standt, dass in Stadt und Ambt nicht schöner und besser anzutreffen, welches … hiermit attestieren kann.“ Für Deufringen waren 300 Tiere vorgesehen. (Vgl. Schurig, Ortschaftschronik, S. 353).

„In Deutschland gab es vor 100 Jahren 30 Millionen Schafe.“ Über die Bedeutung der Schäferei, ihre heutige Situation sowie die Zucht der Schafe weiß am besten Hermann Schaible Bescheid, der – bzw. heute als Nachfolger seine beiden Söhne Herbert und Bernd – in Dachtel eine Schäferei betreibt. „Mein Großvater und mein Urgroßvater waren schon Schäfer und zwar ursprünglich, ehe sie nach Dachtel kamen, in Gechingen. Der erste Schäfer, der Schäferehne, kam wohl aus Neuweiler im Schwarzwald. Der Großvater in Gechingen hatte eine Schäferei und zwei Söhne. So ging einer der Söhne, mein Vater, nach Dachtel.

Es gab eine ganze Reihe von weiteren Schäfern bei uns, auch noch nach dem Krieg:

Den Schäfer Bauer und den Schäfer Gotthilf Breitling in Aidlingen, der war ein Bruder vom Maler Breitling und ein Original, er hatte die Schafweide in Deufringen gepachtet;

den Schäfer Schilling in Aidlingen und Lehenweiler, den ich als alten Mann noch gekannt habe, sein Enkel ist in Gechingen;

den Schäfer Walter Heinrich, der beim Schäfer Bauer gelernt hat und nach Gärtringen ging;

drei Schäfer gab es in Dachtel.

Die Schafhaltung ist der übrigen Landwirtschaft zur damaligen Zeit voraus gewesen, die Bauern hatten oft nur 3 – 4 Kühe und die Wolle war weiterhin ein wichtiger Rohstoff. Sie war ein Wirtschaftsfaktor, ehe das Auto die beherrschende Rolle einnahm. Ich war 1949 schon als 15jähriger mit 320 Schafen auf der „Winterweide“ mit einem Schäferwagen zum Schlafen. Das Essen hat man von den Bauern bekommen. Nur wenn es sehr kalt war, haben wir bei den Bauern auch geschlafen. Die Wolle wurde für 5 Mark das Kilo verkauft. Das Rheintal war damals der Ort für die Winterweide. Ich habe dabei eine Menge erlebt.“

Rückkehr von der Winterweide, Schafschur, das „Entlammen“-

„Tag der Offenen Tür“ am 12.04.2015 bei der Schäferei Schaible in Dachtel

„Wir haben heute in unserem Betrieb 1000 Mutterschafe, dazu 6 Böcke. Je nachdem wie die ‚Entlammung’ verläuft, ob die ‚Verlammungen’ häufig sind oder nicht, kommen wir auf etwas mehr oder etwas weniger als 1500 Lämmer. Manche kalkulieren einen Ausfall von 10 % ein, wir versuchen, mit 3 – 4 % auszukommen.

Anfang April geht es bei uns hoch her. Da werden die Schafe von der ‚Winterweide’ im Schwarzwald – dieses Jahr in Schömberg – zum Scheren nach Hause geführt. Sohn Herbert führt sie diesmal, der Weg geht über Hirsau und Althengstett. Mehrere Tage sind sie unterwegs. Die Ankunft wird etwa am Karfreitag sein. Die Schafe sind jetzt trächtig, da kann es auf dem Rückweg zu Ausfällen kommen, wenn es zu warm ist oder die Anstiege zu steil. Die Böcke sind oft sehr eifersüchtig. Es ist schon vorgekommen, dass ein Bock einen anderen tot stößt. Natürlich sind die Böcke wichtig, von ihnen hängt z. B. die Qualität der Wolle ab. Ein Sohn hat z. B. schon einen Bock aus Irland geholt.

Die meisten Schafe lammen allein, problematisch wird es, wenn das Lamm falsch liegt und die Geburt nicht vorangeht. Da müssen die Schäfer beistehen, sonst kommt es zur ‚Verlammung’. Früher gab es dafür keinen Tierarzt. Ganz im Gegenteil wurden die Schäfer von den Bauern zur Hilfe geholt, wenn es Probleme beim Kuhkalben gab. Die alten Schäfer waren die Tierärzte für die Bauern. Bei meinem Vater und Großvater warfen die Bauern nachts einen Stein ans Fenster, da wussten sie Bescheid. Der nächste Tierarzt war in Calw, hatte kein Auto und musste laufen. Auch später habe ich z. B. den Tierarzt Breitling kein einziges Mal gebraucht.

Nach der Rückkehr von der Winterweide werden die Schafe zunächst geschoren. Nach dem Winter ist das Fell am dichtesten. Die Tiere müssen mindestens drei Tage vor der Schur im Stall sein, damit das Fell völlig trocknet. Sonst ist das Scheren nicht möglich. Die Schafschur geschieht durch Scherer aus Baden-Württemberg, die dafür besonders ausgebildet sind. Es sind in Baden-Württemberg mehrere solcher Kolonnen unterwegs. Vor zwei Jahren hatten wir einen Scherer dabei, der an einschlägigen Schafschurwettbewerben teilgenommen hatte und Europameister geworden war. Im Gegensatz zu früheren Zeiten werden heute für die Schafschur elektrische Hilfsmittel eingesetzt. An einem Tag ist alles erledigt.

Die Schafschur wird bei uns dieses Jahr am 12. April sein. Gleichzeitig veranstalten wir an diesem Tag einen Tag der Offenen Tür, jedermann kann uns also besuchen und sich selbst ein Bild von unserem Betrieb machen.“

Fortsetzung folgt

Siegrid Krülle