Schafherden gehören schon immer zu unserer Kulturlandschaft – zur Tradition der Schäferei in Aidlingen und seinen Teilorten

Fortsetzung

Die alte Tradition der Schafhaltung im Südwesten Deutschlands und damit auch in unserer Region hat unter verschiedenen Aspekten so manche Entwicklung durchgemacht.

Zum Beruf des Schäfers

Das jeden berührende Bild das mit Hut, Stab und Hund ausgestatteten Schäfers, der auf einer grünen Wiese eine weidende Schafherde um sich hat, ließ noch nie erkennen, was ein Schäfer alles können muss. Das Ausmaß und die Vielfalt der Aufgaben, die der moderne Schäfer zu bewältigen hat, sind weiter gestiegen. Ein Blick in die Schaibleschen Schafställe lässt das schon eher ahnen, noch dazu, wenn gerade die Schafschur läuft und nebenbei in einer Ecke ein Lamm auf die Welt kommt. Die Behütung, die Zucht und die Verwertung der Schafe machen den Beruf des Schäfers aus, der heute ein normaler Ausbildungsberuf ist mit dreijähriger Lehrzeit, Abschlussprüfung und der Möglichkeit zur Ablegung der Meisterprüfung. Amtlich heißt er „Tierwirt, Fachrichtung Schäferei“. Wer die Schafhaltung beherrschen will, muss über die Ablammung, die Aufzucht und die Tiere selbst, ihre Anatomie, die Rassen, die Zucht, den Umgang mit Krankheiten, Bescheid wissen. Er muss Pflegemaßnahmen – nach der Rückkehr von der Winterweide z. B. die wichtige Klauenpflege – durchführen, aber auch die Weidewirtschaft, die Futtergewinnung, den Stallbau wie die Pferch- und Hütetechnik mit dem Hund kennen. Und er muss sich nicht zuletzt um die Produktion und Vermarktung von Wolle und Fleisch kümmern, denn davon will er eigentlich leben.

Zur Schafzucht, Woll- und Fleischproduktion

„Auf die Woll- wie Fleischproduktion ist die in unserer Region und auch von uns ausgewählte Schafrasse, das ‚Merino-Landschaf’, abgestimmt“, so Hermann Schaible „Es stammt von dem alten spanischen Merino-Schaf ab, das gegenüber den damals in unserer Region beheimateten Arten eine feinere Wolle lieferte und noch mehrere Kreuzungen erlebt hat.

Bis zur Aufhebung des über einige Jahrhunderte geltenden spanischen Ausfuhrverbots begnügte man sich in Württemberg mit der viel raueren Wolle, die von den einheimischen kleineren Schafrassen stammte. Sie wurde von den Zeug- und Tuchmachern weiter verarbeitet, die es auch in unseren Orten in verhältnismäßig großer Zahl gab. Ihre Ware lieferten sie zur Vermarktung in die Calwer Zeughandelskompagnie, die bis 1797 existierte (s. Schurig, Ortschronik, S. 377). Im 19. Jahrhundert bekam die Schafhaltung und Wollproduktion weiteren Auftrieb. „Reich war das Land, das die meisten Schafe hatte, heute sind es die Autos. Wir lagen vor etwa 100 Jahren mit an der Spitze“, so Hermann Schaible. „Einen Boom erlebte die Schäferei schließlich während des Dritten Reiches. Die Wollproduktion wurde durch die ‚Deutsche Wollverwaltung in Neu-Ulm’ angetrieben. Die Wolle war für das Militär wichtig. Manche Schäfer wurden gar nicht eingezogen. Nach dem Krieg war Wolle weiterhin gefragt und einträglich. Mit Schafen in der Zahl, wie wir sie heute halten, hätte ich damals mit einer Schur das Geld für ein halbes Haus verdient.

In den Jahren seither ist jedoch der Wollpreis derart gesunken, dass es für uns hiesige Schäfer ausgeschlossen ist, davon zu leben. Grund so sehr die Konkurrenz aus dem Ausland, Grund ist vielmehr, dass Kunstfasern entwickelt worden sind, die die Vorteile der Wolle, aber nicht ihre Nachteile haben. Sie sind leichter zu behandeln und werden bevorzugt. Das wirkt sich genauso in anderen Ländern mit hohem Schafbestand aus. Mein Sohn ist 1983/84 in Neuseeland gewesen. Damals gab es dort 70 Millionen Schafe, heute sind es auch dort nur noch 30 Millionen.“

„So ist die Fleischproduktion in Vordergrund getreten. Nur etwa 15 % unserer Lämmer werden für die Weiterzucht ausgesucht, das Hauptkriterium ist dabei die Qualität des Mutterschafes, die Gesundheit, Ausdauer und Widerstandskraft. Die erkennt man am besten

während der Zeit der Winterweide. Die anderen 85 % der Lämmer kommen im Alter von vier, fünf Monaten auf den Schlachthof, wir schlachten nicht selbst. Wir hoffen, dass die Kunden mehr und mehr die Vorzüge des einheimischen Lammfleisches beachten und schätzen. Lammfleisch ist äußerst mager, die Lämmer sind so gesund aufgewachsen wie kein anderes für den Verzehr verwendetes Tier, und das hiesige Lammfleisch ist normalerweise nicht teurer und auf jeden Fall frischer als importiertes Lammfleisch. Das stammt zudem von Tieren, die in ihrem Land nicht einem Tierschutz unterliegen, der mit dem unseren vergleichbar wäre. Da kommt bei der Schafzucht einiges vor.“ Bei der Fleischproduktion fallen noch die Schaffelle ab. Interessant: Im Mittelalter blieb nichts von einem Schaf übrig. Die Häute wurden zu Pergament verarbeitet, aus den Knochen Flöten geschnitzt, aus den Organen Medikamente hergestellt.

Hermann Schaible betont: „Wollten wir Schäfer von der Fleischproduktion leben, müssten wir die Herden vergrößern, die Tiere müssten z. B. drei- bis viermal im Jahr lammen. Das geht nicht. Das Hauptproblem ist: Die Weiden, die Grundlage der Schäferei, sind immer knapper geworden und erst recht reichen sie für die Fütterung noch größerer Herden nicht aus.“

Zur Weidewirtschaft und Landschaftspflege

Ende April/Anfang Mai kommen die Tiere auf die Sommerweide, wo sie durch die natürliche Haltung seit jeher zur Landschaftspflege beitragen.

Ursprünglich – bis in die Neuzeit hinein – war die Schäferei ein Privileg der jeweilige Obrigkeiten, der württembergischen Landesherrn oder sonstiger Grundherren (Stift Tübingen, Kloster Hirsau, Herren von Gültlingen). Die Schafhirten arbeiteten für die jeweilige Herrschaft. Zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert wurden diese Privilegien aufgegeben. Das ermöglichte nach und nach auch die gemeindliche und private Schafhaltung. Im Gefolge wurden die gemeindlichen Schafhäuser gebaut, auch an unseren Orten, die aber nur manchmal, wie in Dachtel, noch erhalten sind. In den alten Karten von Aidlingen und den Teilorten sind sie vermerkt.

Das „Schafweiden“ wurde schließlich im Baden-Württembergischen Schafweidegesetz von 1873 geregelt. Es gilt bis heute. Hermann Schaible erklärt dazu: „Die Genossenschaftsweide hatte sich zerschlagen. Die Schäfer hatten sich selbständig gemacht, hatten aber kein Land. Das Gesetz wurde zu ihrer Unterstützung erlassen. Man brauchte die Wolle.

In Gechingen z. B. hatte die Gemeinde das Recht, sämtliches, auch das private Land an Schäfer in der vegetationsarmen Zeit zu verpachten, sprich im Herbst und Winter. Im Sommer standen die Wachholderweiden, ab der Ernte auch die Stoppelfelder zur Verfügung. Das gab üppige Nahrung. Die Schafe waren die ‚Pfennigsucher’ in der Landwirtschaft. Heute jedoch fallen die Stoppelfelder wegen der Düngerei weg, also haben wir keine Herbst- und Winterweide mehr. 300 Hektar Sommerweide – das reicht nicht mehr für die Schafhaltung, auch wenn das Weiden kostenlos ist. Im Rheintal, dem traditionellen Ort für die Winterweide, ist es nicht viel anders. Die Politik ist schuld daran, dass ab der sechziger Jahre alles umgebrochen wurde für Ackerland.

Vom Mais habt ihr mehr Nährstoffe als von der Wiese,’ hieß es. Es kam die Zeit der Milchseen, der Butterberge. Und daraufhin der ‚Flächenstilllegung’. Für uns Schäfer wurde es zunehmend schwieriger. So, wie es war, wird es nicht mehr.

Wir müssen schauen, wie es weitergeht. Die Schäfer sind heute wie die jungen Landwirte einschließlich ihrer Familie durch die viele Arbeit überlastet, der Nachwuchs zögert, die Wolle bringt zu wenig Geld, in der Fleischproduktion ergeben sich vielleicht noch gewisse Chancen. Unstreitig ist, dass wir mit dem Beweiden der Wachholderheiden und der Magerrasengebiete für die Erhaltung der Natur, der überlieferten Tier- und Pflanzenwelt, und für die Erhaltung unserer Landschaft viel tun und damit im Dienst der Gemeinschaft tätig sind. Schon jetzt beziehen wir einen Teil unseres Einkommens aus staatlichen Fördergeldern. Wenn der Schäferberuf am Leben bleiben soll, wird sich das leider nicht ändern lassen.“

Siegrid Krülle