Erinnerungen an die Schulzeit in Deufringen – Teil 4

Frau Dorothea Sorge, geb. Walz, *1946

Frau Sorge, sind Sie in Deufringen in den Kindergarten gegangen? – Ja, aber nicht gern. Wir waren etwa 20 Kinder in der kleinen Schlosskapelle. Eine Freifläche zum Spielen gab es nicht. Was es gab, waren vielleicht ein paar Bauklötze, vielleicht ein Bilderbuch. Ein paar Puppen lagen in der Ecke, aber ich spielte nicht mit ihnen. Die Leiterin des Kindergartens war eine Diakonisse. Als sie einmal einen Unfall gehabt hatte, mussten wir noch leiser sein als sonst schon. Nachmittags mussten wir die Arme auf den Tisch legen und zu schlafen versuchen. 

Erinnern Sie sich an besondere Ereignisse im Kindergarten? – Im Kindergarten war ich – wie auch später in der Schule – kein einziges Mal auf dem Klo. Ich wartete immer die Pause ab und lief heim. – Als meine Schwester, fünfeinhalb Jahre jünger als ich, geboren wurde, erzählte ich es im Kindergarten, und die anderen Kinder standen um mich herum. – Einmal musste ich mich übergeben, als ich gegen mein Sträuben gezwungen wurde, Holunderbeeren zu essen, die auf einem Strauch beim Schloss wuchsen. 

Wie war das bei Ihrer Einschulung? – Damals waren Schultüten in Deufringen noch nicht allgemein bekannt. Als ein Foto gemacht werden sollte, hieß es plötzlich: „Wo ist die Schultüte fürs Foto?“ Jedes Kind lief nach Hause: „Mama, mei Schultüte!“ – „Was isch a Schultüte?“ – „Mama, die Fini und der Bernd, die hen a Schultüte!“ Meine Mutter machte mir eine Papiertüte und füllte sie. Was drin war, weiß ich nicht mehr.

Wie viele Jahre waren Sie auf der Schule in Deufringen? – Acht Jahre, auf eine weiterführende Schule durfte ich nicht. Damals hieß es: „Wir sind froh, wenn du aus der Schule bist, dann kannst du in der Landwirtschaft mithelfen.“ Das war meine Zukunft, heute ließe ich mir das nicht mehr gefallen. „Ein Mädchen heiratet ja eh bald.“ Bei mir war das dann auch wirklich der Fall, ich habe mit 18 geheiratet, das täte ich heute auch nicht mehr. Meine Eltern hatten eine kleine Landwirtschaft, der Hof brannte 1976 ab, er lag dort, wo jetzt das „Dorfplätzle“ ist. 

Das Deufringer Rathaus war gleichzeitig Schulhaus. Wie waren da die Zimmer verteilt? – Die Lehrerwohnung war dort, wo heute Frau Walz, die Ortsvorsteherin, ihre Sprechstunde abhält. Rechts, wo jetzt die Firma Fema ist, war das Zimmer der Klassen 5-8. Oben über der Lehrerwohnung war das Büro des Bürgermeisters, auf der rechten Seite das Zimmer der Klassen 1-4. Die 1./2.-Klässler hatten später Schule als die 3./4.-Klässler, ebenso die 5./6.-Klässler später als die 7./8.-Klässler. Wer früher anfing, durfte auch früher heim. Einen Hausmeister gab es nicht, eine Frau putzte und machte im Winter Feuer.

Welche Schulfächer gab es? – Lesen, Schreiben, Rechnen, Heimatkunde, Singen, Turnen – und für Mädchen Handarbeit. Heimatkunde wurde großgeschrieben; wir mussten die Markung malen. Singen hatten wir mit Frau Keck, sie begleitete am Klavier. Die besseren Sänger sangen die zweite Stimme. Singen war nur Singen, nichts mit Noten oder Komponisten. – Die Mädchen mussten in der 8. Klasse an einem Nachmittag pro Woche nach Aidlingen zu einem Hauswirtschaftskurs: ein bisschen Kochen, Sticken, Schulgarten. Die Lehrerin war nicht sehr begabt. 

Wie war der Sportunterricht organisiert? – „Turnen“ lief so ab: 25 Kinder marschierten wie beim Militär den Dachteler Weg entlang und hinauf zum Schallenberg. Dort machten wir ab und zu Ballweitwurf oder spielten Völkerball. Es gab eine Sprunggrube, das war ein viereckiges Loch mit Treppchen, da übten wir manchmal Weitsprung. Aber die meiste Zeit exerzierten wir, der Lehrer hatte eine Trillerpfeife. Beim Turnen trugen wir keine Sportkleidung. Schwimmen gab es überhaupt nicht. Einmal im Jahr waren Bundesjugendspiele. Wir mussten zu Fuß von Deufringen nach Aidlingen zum „Vogelherdle“. Wir waren schon müde, bevor die Spiele überhaupt anfingen. Im Winter gab es gar kein Turnen, obwohl auf der Bühne Matten lagen, die wurden aber nur ein einziges Mal heruntergeholt.

Erinnern Sie sich an Schulausflüge? – Bei einem Wandertag liefen wir einmal nach Ostelsheim. Mit Herrn Bastian machten wir zwei Ausflüge mit Bus, pro Jahr einen. Der erste ging zum Lichtenstein und zur Bärenhöhle, der zweite nach Ludwigsburg und zum Monrepos. Herr Keck machte grundsätzlich keine Ausflüge, immer fand er eine Ausrede: Entweder war eine Arbeit nicht nach seinen Wünschen ausgefallen, oder unser Verhalten war nicht so anständig, wie von ihm erwartet.

Gab es Streiche in der Schule? – Nein, Streiche konnte ich mir nicht erlauben, ich hatte einen strengen Vater.

Und die anderen? – Auch die heckten keine Streiche aus, wir hatten noch sehr viel Respekt vor den Lehrern. Einen einzigen Streich kann ich berichten: Die Handarbeitslehrerin, Fräulein Fabel, war eine kleine Frau aus dem Ort. Einmal befestigten wir ihr Wäscheklämmerle unten am Rock. Wenn sie auf- und abging, wippten die Klämmerle – wir mussten lachen. Als sie es bemerkte, gab es „Buckeles“ (Stockschläge auf den Rücken). Aber auch an diesem Streich konnte ich mich nicht beteiligen: Die Lehrerin und meine Großmutter waren befreundet.

Frau Sorge, vielen Dank für dieses Interview!

Aufgezeichnet von Paul de Vooght