Bau der „Radarstation“ auf dem Venusberg – Wilhelm Bauer war als Kind dabei und erinnert sich

Ich bin 1931 in Aidlingen geboren, erst durch meine Heirat kam ich 1960 nach Lehenweiler. Mein Vater war Gottlieb Bauer aus Aidlingen, meine Mutter eine geb. Röck aus Deufringen.

Mein Vater hatte ein Fuhrunternehmen. Wir hatten vier Gäule – außer im Krieg, als wir sie teilweise abgeben mussten. Der Vater hat Langholz geführt, aber z. B. auch Vieh oder Getreide transportiert. 1938 hat mein Vater in die Buchhaldenstraße ausgesiedelt. Ihm gehörte vorher das Anwesen Im Bad 1, sein Vaterhaus. Wegen des damaligen Brückenbaus musste es aufgegeben werden. Das Haus stand mitten in der Straße und wurde 1938 abgerissen. Ursprünglich war auch eine Bäckerei dabei, die der Großvater noch bis 1917 betrieb, daher der alte Hausname „Bauer-Bäck“.

Als ich zehn war, sagte der Vater: „Du kannsch scho di Gail führa.“ Ich habe dem Vater frühzeitig viel geholfen, ich tat es auch gerne. Es war mir lieber als die Schule. So kam es, dass ich auch auf dem Venusberg mit eingespannt wurde.

Auf dem Venusberg wurde ab 1941 von der Organisation Todt (O.T.) eine „Radarstation“ gebaut. Das war die Auskunft, die man meinem Vater gab, der mit seinem Fuhrbetrieb bei der Errichtung der Anlage beteiligt war. Ich wusste von der O.T. damals noch nichts. Auch die Zufahrt zu der Anlage, der vor Lehenweiler in westlicher Richtung über den Venusberg abzweigende und aufsteigende Weg, wurde von der O.T. angelegt. Gleich am Anfang des Weges war ein nützlicher Steinbruch, der in jüngerer Zeit zugeschüttet wurde. Die Bäume um die Anlage waren damals wesentlich weniger und niedriger als heute, sie boten gerade guten Sichtschutz.

20 Strafgefangene aus verschiedenen Ländern bauten die Anlage, sie hatten die braunen Anzüge der O.T. an. Sechs deutsche Soldaten in blauen Anzügen waren als Wachleute dabei. Sie wohnten in Aidlingen, einige auch in Lehenweiler, in der Krone, einer bei meinem späteren Schwiegervater. Die Strafgefangenen hatten ihre Behausung in einem der drei Bauwerke, die zu der Anlage gehörten, das war jedenfalls mein Eindruck, Baracken habe ich nicht bemerkt. Die Außenwände, auch in der damaligen Höhe, sind noch erhalten, nur das Dach fehlt. Im kleineren weiteren Gebäude ist der Türeingang von den Breitlings, den Eigentümern, mit Holz versperrt worden. Welche Funktion dieses Haus hatte, weiß ich nicht. Das größte Bauwerk ist das „Karussell“. Auf einem Rondell, einer mächtigen runden Betonmauer, war ein Gleis angebracht, die Verankerungen sind gut erkennbar. Auf der Schiene fuhr ein drehbares hohes Gerüst. In der Mitte war der noch wesentlich höhere Turm, auf dem eine Art Radarschüssel angebracht werden sollte. Dazu ist es aber, soviel ich weiß, nicht mehr gekommen.

Mein Vater war mit seinem Betrieb von der O.T. dienstverpflichtet worden. Er brauchte nicht in den Krieg, denn er hatte einige steife Finger und er hatte im Ersten Weltkrieg in den Jahren 1914/15 drei Brüder verloren. Mein Vater musste mit seinem Pferdefuhrwerk vor allem Eisenteile und Baumaterial – insbesondere Beton – vom Bahnhof in Ehningen abholen, mit Hilfe der Arbeiter von den Waggons von Hand abladen und auf den Venusberg bringen. Da die Pferde das letzte Stück kaum schafften, beauftragte er mich regelmäßig, nach der Schule um 12 Uhr unseren Ochsen Richtung Lehenweiler bis zur Wegabzweigung vor Lehenweiler zu führen, damit er ihn vorspannen konnte. Ich war damals zehn, es war der bitterkalte Winter 1941 und wir hatten doch nur kurze Hosen und Strümpfe und keine wirklich warme Kleidung an. Walter Schilling erinnerte sich nach dem Krieg einmal daran und fragte mich, ob ich im Wald immer noch so weine wie damals im dem kalten Winter.

Das ganze Projekt war geheim und unzugänglich, mein Vater durfte nichts erzählen und die Leute im Dorf wussten wohl nichts oder nichts Genaueres davon. Mein Vater ließ manchmal, wenn er heimkam, verlauten: „Ich war beim Turmbau zu Babel“ – damit spielte er wahrscheinlich auf die vielerlei Nationalitäten der Arbeiter an. Zu mir sagte niemand etwas,

ich sah aber alles, wenn ich auch nicht ganz nah zu dem Karussell hingegangen bin. Mit den Leuten habe ich mich gut vertragen. Ihre Stimmung war gedrückt. Am 8. 5. 1945 sind alle Gefangenen und Wachsoldaten verschwunden. Die Leute aus dem Dorf oder sonst woher haben sich dann so manche Sachen geholt, Metallteile beispielsweise.

Übrigens ist 200 m weiter in westlicher Richtung bei Kriegsende ein amerikanisches Flugzeug abgestürzt. Vor kurzem war eine amerikanische Delegation zur Untersuchung der Abschussstelle da und hat auch einiges gefunden.“

Aufgeschrieben von Siegrid Krülle