Badefreuden in Aid, Irm und Würm

Der Sommer neigt sich dem Ende zu. Wer hat in diesen Urlaubs- und Ferienzeiten nicht von der Erholung und dem Vergnügen geträumt, die Seen und Meeresstrände oder mindestens ein sonniges Freibad bieten – und sich diesen Traum manchmal auch erfüllt! Wie aber war das mit den Badefreuden früher, als es noch kein Flugzeug, kein Auto, keinen Urlaub, kein Geld für derlei Späße und auch kein Wasser gab, das in beliebiger Menge einfach aus dem Hahn oder Duschkopf sprudelte?

Mit Frau Erika Oehler, 1923 in Aidlingen in der Oberen Mühle geboren, traf ich zuletzt Anfang August zusammen, um mich mit ihr über ihre Erfahrungen und Erlebnisse zu diesem Thema zu unterhalten. Dabei bezog sie per Telefon auch ihren jetzt in Deufringen wohnenden alten Klassenkameraden Heinrich Stürner ins Gespräch ein: „Wir sind die letzten aus unserem Jahrgang.“ Man merkte, wie sich die beiden in ihren Erinnerungen ergänzten. Gut zwei Wochen nach diesem Treffen ist Frau Oehler gestorben, und wir denken an sie mit Respekt und in Dankbarkeit. Nicht nur zum heutigen Thema, sondern auch zu anderen Fragen, die der
Heimatgeschichtsverein an sie herantrug, gab sie in ihrer freundlichen, aufgeschlossenen und offenen Art stets gerne Auskunft. Sie, die unermüdliche Frau, die man letztes Jahr noch bei der Gartenarbeit beobachten konnte, wusste alles über die Arbeit in der Mühle, in der Landwirtschaft, sie kannte das Alltagsleben der Frauen im Haus und in der Familie. Nun können wir sie leider nicht mehr fragen, wie’s damals war, und so wird sie uns fehlen.

Baden in Aidlingen in ihrer Jugendzeit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts? Darüber wusste sie, die in der Oberen Mühle zu Hause war, nur zu gut Bescheid. „Auf der anderen Seite der Brücke konnte man in der Aid baden. Ein Stück weiter in Richtung Wölflesmühle war eine Stellfalle. Da war das Wasser gestaut, und dadurch hatten die Kinder und jungen Leute vom Oberdorf hier am ‚Bach’, wie man allgemein sagte, eine ideale Badestelle.“ „An der Stellfalle ging uns Jungen das Wasser bis unters Kinn“, erzählte Heinrich Stürner, „beim Theurer am Bach haben wir uns umgezogen.“ Die Tochter des damaligen Bauern Theurer, Frau Dieterle, erinnert sich an weitere Einzelheiten. „Die Kleider haben die ‚Badegäste’ vor
allem auf die Mauer bei unserem Waschhaus gelegt, an der die Falle festgemacht war und die weit in Richtung Brücke verlief. Die Mädchen hatten richtige Badeanzüge an, altmodisch natürlich, oft auch selbst gestrickt und unangenehm schwer, wenn sie nass waren. Aber genau genommen hatten wir Kinder – und wir waren acht in unserer Familie – wenig Freizeit und auch wenig Zeit für den Bach. Wir mussten ständig mithelfen. Hier am Bach haben sich auch im Sommer alle nach der Arbeit gewaschen, die Männer standen da mit bloßem Oberkörper
und seiften sich ein. Sonntagmorgen führten manche Bauern auch ihre Pferde zum Waschen hierher. Das Wasser war sauberer als heute. Vater fing sich manchmal eine Forelle, die für ihn gebraten wurde. Insbesondere mein Schwager säuberte den Bach regelmäßig.“

Einige wenige Mädchen aus der Nachbarschaft von der anderen Seite der Straße bzw. des Bachs haben hier sogar das Schwimmen gelernt, so Lore Heinrich, heute Frau Horr, und die Sattlertöchter Stürner. Wie Frau Lore Möller, geb. Stürner, erzählt, hätten sie an andere Plätzen auch gar nicht zum Baden gehen dürfen, nicht zur Brettermühle oder zur Kutschermühle, wo Aid und Würm zusammenfließen – da traf sich eher das untere Dorf. Erst recht kam die Würm nicht in Frage. Herr Heinrich Stürner dagegen lacht: „Für uns war an der
Oberen Mühle zum Schwimmen zu wenig Platz. Als junge Kerle waren wir an der Würm.

Oberhalb der heutigen Kläranlage war ein tiefes Loch, wo man gut schwimmen konnte. Es gab noch weitere tiefe Stellen, so dass sich die Würm auch den Laimern fürs Baden anbot.“

Für die Deufringer ergaben sich Bademöglichkeiten an der Irm am Ortsausgang Richtung Gechingen und am „Lustgarten“, aber vor allem bei der am Zusammenfluss von Aischbach und Irm gelegenen „Pumpstation“. Dort war ebenfalls eine „Stellfalle“, die noch heute zu erkennen ist. Das aus den Quellen über Dachtel stammende Wasser des Aischbachs wurde mit Hilfe eines Wasserrads, das primär mit dem Wasser der Irm betrieben wurde, nach Gärtringen
gepumpt. Unterhalb der Falle, wo das Wasser wieder normal wurde, hatten die Kinder ein besonderes Vergnügen, weil sie auf dem moosigen Beton herunterrutschen konnten. Helmut Breitling, der heute ein kleines Stück bachaufwärts seinen Rößehof betreibt, erinnert sich deutlich an die Zeiten, als hier ein beliebter Badeplatz war, und hat beobachtet, wie sich der Bach im Laufe der Jahre verändert hat.

Für einige Aidlinger oder Laimer junge Leute mag es die Würm gewesen sein, wo aber haben die anderen, wo die Deufringer und Dachteler in der Regel das Schwimmen gelernt? „Im Freibad“, war da einhellig zu hören. In den 20er Jahren wurden Freibäder auch in unserer Umgebung gebaut, zuerst in Stammheim, ein kleines vor Holzgerlingen (Ludlenbad), 1935 in Hildrizhausen. Manche leisteten sich um diese Zeit bereits ein Fahrrad, meist um leichter zu Daimler in die Arbeit zu kommen. Und das konnte dann am Sonntag hergenommen werden, auch wenn es vielleicht dem Vater gehörte, um mit Freunden ins bevorzugte Stammheimer
Bad zu fahren. Das hatte bereits drei Becken und versprach gesteigerte Vergnügen, für die man mit einem schweißtreibenden Heimweg zahlen musste. „Hatte man Gechingen erklommen, war man reif fürs nächste Bad“, erinnert sich Heinrich Stürner, der Klassenkamerad von Erika Oehler. Einen kürzeren Weg hatten später von Anfang an die nach dem Krieg Geborenen: 1964 wurde in Gärtringen ein mit einer modernen 50 m-Bahn ausgestattetes Freibad eröffnet.
Wie Herr Helmut Beutler weiß, bestanden schon vor dem Krieg Pläne, insbesondere des Bauern Bäßler, auch in Aidlingen ein Freibad zu bauen und zwar zwischen Aid und der Buchhaldenstraße an der Stelle, wo manchmal ein kleiner Zirkus gastiert. Die Pläne kamen aber nicht zur Ausführung, eine bereits erfolgte Bodenaushebung musste wieder zugeschüttet werden. Man kann die Stelle noch heute ausmachen.

Bleibt die Frage: Hat mit all dem die Aidlinger „Badstraße“ etwas zu tun? Diesem Geheimnis soll das nächste Mal nachgegangen werden.

von Siegrid Krülle