Aschermittwoch – Fasten, Speckfechten und Starkbierreden

Viele haben zu Aschermittwoch kaum eine Beziehung. Aschermittwoch ist jedoch ein wichtiger Tag im Ablauf des Kirchenjahres. In der römisch-katholischen Kirche beginnt nun nach dem Ende der Fastnacht die bis Ostern dauernde vierzigtägige Fastenzeit. Sie soll an den mit Beten und Fasten verbrachten Aufenthalt von Jesus in der Wüste erinnern. Der Gläubige ist zu Enthaltsamkeit, Selbstbesinnung und Selbstreinigung aufgefordert. Diese Gedanken sind auch der evangelischen Kirche nicht fremd.
An den Traditionen des Aschermittwochs halten jedoch insbesondere die Katholiken fest, so auch in Aidlingen. Im eigenen Aschermittwochsgottesdienst zeichnet der Pfarrer mit geweihter Asche ein Kreuz auf das Haupt des Gläubigen. Die Asche, ursprünglich selbst ein Reinigungsmittel, erinnert an die Sterblichkeit des Menschen „Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst.“ Die Asche wird beim „Osterfeuer“ gewonnen, dabei werden die Palmzweige des Vorjahres verbrannt.
Die Fastenvorschriften sind heute auch in der katholischen Kirche weniger streng als früher. Im Vordergrund steht der Gedanke, dass sich der Gläubige selbst ein Opfer auferlegen und im Verzicht üben soll. Verboten sind meist der Genuss von Fleisch und Alkohol. Doch wird davon in manchen Gegenden gerade am Aschermittwoch eine Ausnahme gemacht. Frau Stumvoll, Aidlingen, die aus dem katholischen Sudetenland stammt, erinnert sich: „Nachdem am Faschingsdienstag die Kinder verkleidet von Haus zu Haus gezogen waren und dabei vielleicht einen Krapfen oder Heller geschenkt bekommen hatten, machten sich am Aschermittwoch ältere Männer und Frauen zum „Speckfechten“ auf den Weg. Meist waren es ärmere Leute, Häusler oder Arbeiter. Sie trugen Buckelkörbe oder hölzerne Butten mit Tragebändern auf dem Rücken, klopften bei den reicheren Bauern an und erhielten Eier, Speck oder sonst Essbares, manchmal auch einen Schnaps oder ein paar Heller oder Kronen. Dann kamen die Leute in die Gastwirtschaft meiner Eltern und leerten in unserer großen Gaststube den Inhalt ihrer Kraxen aus. Meine Mutter kochte daraus für alle ein deftiges Essen, und das Geld wurde in Schnaps umgesetzt – in den selbstgebrannten Kornschnaps, wie er bei uns üblich war. So war es bei uns am Aschermittwoch, und alle waren in vergnügter Stimmung.“
Das Alkoholverbot wird auch anderenorts großzügig gehandhabt. Schon vor Jahrhunderten kamen die Paulanermönche in München auf die Idee, sich zur besseren Bewältigung der kalorienarmen Fastenzeit ein kalorienhaltiges Starkbier zu brauen. Die Idee wurde vielfach nachgeahmt und ausgeweitet. Zum Starkbieranstich am Aschermittwoch gehören z. B. auf dem Nockherberg in München, der Heimat des Paulanerbieres, auch Volkssänger, Kabarettisten und politische Prominenz. Die politischen Aschermittwochsreden haben jedoch ihren Ursprung in Vilshofen in Niederbayern, wo sich beim alljährlichen Viehmarkt am Aschermittwoch die Bauern nicht nur über die Viehpreise, sondern auch über die aktuellen politischen Tagesereignisse heftig und deftig stritten. Inzwischen nehmen sich in ganz Deutschland Politiker bei derartigen Aschermittwochsreden aufs Korn. Mit innerer Einkehr und Buße, die den eigentlichen Sinn des Aschermittwochs ausmachen, haben diese Reden nur noch wenig zu tun.

von Siegrid Krülle