Aidlinger Hopfenanbau

Der Beginn des 19. Jahrhunderts schien zwar unseren Orten eine Reihe von Fortschritten zu versprechen, in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht galt das nicht ohne weiteres. Die erste Hälfte des Jahrhunderts war die Zeit, in der sich in größerer Zahl Bewohner unserer Orte zur Auswanderung entschlossen. Es waren vor allem die Mittellosen im Ort, und die Gemeinde unterstützte deren Entschluss, indem sie die Kosten für die Überfahrt meist nach Amerika übernahm und trotzdem aufatmete. Aber auch die Verbliebenen, Bauern, Handwerker, Tagelöhner, waren vielfach in Armut verfangen, bis ihnen unerwartet der Hopfenanbau zu neuen wirtschaftlichen Grundlagen verhalf. Rund 100 Jahre, bis in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts, wurde in unseren Orten Hopfen angebaut, heute ist kaum noch eine Hopfenranke aufzufinden.

Den Anfang machte 1834/35 der gute Löwenwirt Zweygart, der hinter seiner Gastwirtschaft „im Bad“ einen Hopfengarten anlegte. Der Hopfenanbau mit seinen uralten Wurzeln hatte schon in verschiedenen deutschen Regionen gute Erfolge gezeitigt, das dürfte ihm zu Ohren gekommen sein. Die hiesige Umgebung von Weil der Stadt bis Rottenburg sollte schließlich zum drittgrößten Hopfenanbaugebiet in Deutschland werden. Erst der Hopfen, seine Herkunft, der Boden, die Be- und Verarbeitung, die Art des „Darrens“ und Verpackens machen den jeweiligen speziellen Geschmack des Bieres aus.

Auf den Hopfenanbau verlegten sich bald danach, 1840, intensiv der Aidlinger Bierbrauer Jakob Wagner und der im gleichen Jahr zum Schultheißen gewählte Friedrich Maurer, der dieses Amt tatkräftig bis 1889 ausübte. Insbesondere trieb er, mehrfach preisgekrönt, den Hopfenanbau nach Quantität und Qualität voran. Wagner bewirtschaftete 1,6 ha, Maurer 1 ha, also 10.000 qm. 1862 bauten 120 Familien in Aidlingen, 11 in Lehenweiler Hopfen an, meist aber nur Flächen von etwa 400 – 1.500 qm. Der auf 800 qm geerntete Hopfen brachte 1854 ungefähr so viel Erlös – nicht Gewinn – ein, wie ein Handwerker im Jahr verdiente. Schon diese wenigen Zahlen zeigen, dass der Hopfenanbau für unsere Orte den Ausstieg aus Armut und Not bedeutete. Da der Hopfenanbau arbeitsintensiv war, fanden auch die Taglöhner und Besitzlosen ihr Auskommen. Etwas später als die Aidlinger machten sich auch die Deufringer und Dachtler den Hopfenanbau zunutze. 1885 wurden in Aidlingen 65 ha, in Deufringen und Dachtel je rd. 20 ha Hopfen angebaut.

Der Hopfenanbau war arbeitsintensiv und witterungsabhängig. Immer wieder litt er unter einer weltweiten Überproduktion. So fielen z. B. auch in Aidlingen die Preise zwischen 1882 und 1885 um fast 90 %. Bei vielen kehrte wieder Armut ein. Trotzdem hat der Hopfenanbau noch jahrzehntelang die hiesige Landwirtschaft bereichert. Erst in den 50er-Jahren wurden die letzten Hopfenäcker aufgegeben.

Museum Hopfenhaus Aidlingen

Siegrid Krülle

Quellen: Ortschronik S. 391 f., 464 f.