Wie ich das Kriegsende erlebt habe – Paula Mistele erinnert sich

Frau Paula Mistele aus Deufringen, fast 95 Jahre alt, konnte wie ihr Bruder Herr Otto Mistele bei der Zeitzeugenveranstaltung am 17.5. leider nicht dabei sein. „Es isch nemme wia gwea“, meinte Paula Mistele am Telefon. „Die Beine tun nicht mehr richtig, es wär zu beschwerlich. Wenn allerdings alles wär wie’s Maul, dann ging’s.“

Und schon kam sie ins Erzählen: „In Deufringen ist eigentlich nix passiert. Übern Schallenberg sind se von Dachtel her rüber komma und hend gschossa. Die Kugla hot ma richtig gseha, es hat richtig pfiffa.

Wir saßen alle bei Fritz Dürr in der Nachbarschaft, der hatte eine Wägnerei, da wurde immer geheizt und war’s warm. Die Nachbarn sagten aber zu uns jungen Mädchen: ‚Verschwindet besser. ‘ Wir sind ins Gräch rauf, das war der oberste Teil vom Scheunendachstuhl. Da lag Gerstenstroh, das hatte stupfige Nägele. Wir haben davon gar nichts gemerkt vor lauter Angst. Der Pole bei Dürr – er war da als Zwangsarbeiter – hat uns Milch zum Trinken gebracht. ‚Bleibt oben‘, hat er gesagt ,, die packen alle, auch die Polenmädchen‘. Er meinte damit die polnischen Zwangsarbeiterinnen. Es wurden mehrere Frauen vergewaltigt, man hat nicht alles mitbekommen. Man hat sich geschämt. Ich weiß nichts davon, dass bei uns in Deufringen ein Kind auf die Welt gekommen wäre. Es war schon eine sonderbare Sache. Zuerst gab’s Schokolädle. Und dann hat man verschwinden müssen einen Tag und eine Nacht, so lang blieben sie.

Bei den Nachbarn Renz – damals noch Härtkom, die Frau Renz war eine geborene Härtkom, es waren damals auch die Alten noch da – haben die Marokkaner noch einen Tag länger Station gemacht. Sie haben die Hühner aus dem Stall geholt und abgeschlachtet, gekocht und gegessen. Man hat’s überlebt.“

Siegrid Krülle