Von Schulbehausung, Schulmeister und Schulgeld – zur Geschichte unserer Schulen Teil II

Das Dachteler Schulwesen

1629: Die Schüler „nach Teuferingen außer Landtz in die Schuol gangen“

In Deufringen und Dachtel kam das in der Großen Kirchenordnung von 1559 verfügte neue Schulwesen nur langsam in Gang. Das sieht man schon daran, dass noch 1603 aus beiden Orten einige Schüler Privatunterricht beim ehemaligen Aidlinger Schulmeister Lienhard Secker nahmen. Zwar hatte es in Dachtel bereits im 16. Jahrhundert, früher als in Deufringen, einige Schulmeister gegeben, mit denen man aber anscheinend keine guten Erfahrungen gemacht hatte. 1591 räumten Schultheiß und Gericht von Dachtel ein, ein Schulmeister fehle zur Zeit; sie selber könnten nicht lesen und schreiben und deshalb auch nicht die bei der letzten Landesvisitation verlangten Steuerbücher führen und vorlegen. Wie bei ihnen als Bauern üblich, verwendeten sie noch die überlieferten Kerbhölzer statt schriftlicher Schulddokumente. Um 1600 fungierten jeweils für kürzere Zeit der ortsansässige Jerg Eysenhart und der ebenfalls ortsansässige Jacob Bettringer als Schulmeister. Fast zwanzig Jahre, von 1614 – 1633, hielt sich dann Jacob Riem im Amt. Erstaunt liest man daher in einem Bericht von 1629, dass kein Schüler in diesem Winter zum gemeindlich bestellten Dachteler Schulmeister Riem, sondern alle nach „Teuferingen außer Landtz in die Schuol gangen“ seien. Man wusste aber offenbar für diesen Missstand keine Abhilfe: Niemand anderes am Ort sei als Ersatz geeignet, und kein Fremder werde angesichts der geringen Besoldung und der fehlenden Schulbehausung nach Dachtel kommen.

1763: „Miserable enge und übele Geruch in der Schul“

Von Dachtel liegen Karten nach den Lagebüchern um 1523 und 1590, 1746 und 1830 vor. Erstere enthält noch keinen Eintrag, während in der zweiten ein offensichtlich in der Zwischenzeit erbautes kleineres und als „Rathaus“ bezeichnetes Gebäude auf dem bis heute aktuellen Standort eingezeichnet ist. In den zur Karte gehörenden „Erläuterungen“ ist allerdings von einem „Rat- und Schulhaus mit Wohnung des Schulmeisters, mitten im Dorf“ die Rede, das könnte auf einen geplanten Um- oder Anbau hindeuten. Ein wesentlich größeres Gebäude ist dann auch in der 150 Jahre jüngeren Karte von 1746 verzeichnet. Um diese Zeit war das Gebäude aber schon längst wieder abgewirtschaftet. Das geht aus einem Kirchenvisitationsbericht von 1763 hervor. Die Kommune sei schon mehrfach aufgefordert worden, die Verhältnisse im Schullokal zu verbessern. „Die Schul worinnen Schulmeister zugleich wohnen und sein Handwerck treiben muß, ist im untern Stock des hiesigen uralten und sehr baufälligen Rathauses, wo es miserable enge hergeht…. Pastor kann sein Amt bey den Schulkindern nicht thun, wie es sein sollte, der übele Geruch von den sehr eng sitzenden Kindern und dem zum Handwerck gebrauchten Öl lässt es nicht zu, manche Kinder sind daher auch schon gefährlich erkrankt.“

Die hier beschriebene Atmosphäre dürfte typisch für viele Schulräume der damaligen Zeit sein. Nicht nur der Zahn der Zeit hatte an den Gebäuden genagt. „30 Jahre Krieg, 100 Jahre Not“ – so wurden die katastrophalen Folgen des 30-jährigen Krieges (1618 – 1648) beschrieben. Die Dörfer hatten Plünderung, Brandschatzung und Zerstörungen jeglicher Art und – verschlimmert durch eine Pesteidemie – den Tod eines Großteils der Bevölkerung hinnehmen müssen. Ein tiefgreifender wirtschaftlicher und sozialer Verfall war in der nachfolgenden Zeit zu bewältigen. Schon ab 1700, aber insbesondere ab 1750 stiegen die Bevölkerungs- und damit auch die Schülerzahlen wieder spürbar an. Dachtel hatte im Jahr 1621 415 und nach dem Krieg im Jahr 1653 115 Bewohner, im Jahr 1763 waren es 257 und im Jahr 1803 schließlich 345 Personen. In den Jahren 1621 bzw. 1653 wurden 125 bzw. 34 Kinder im Alter von 6 – 14 Jahren gezählt, im Jahr 1701 waren es 42 Kinder, die jetzt auch schulpflichtig waren. Die Zahl stieg weiter.

Die Forderung nach einem Schulneubau wurde jedenfalls in Dachtel immer dringender. Die reformerischen Entwicklungen der Zeit vor und um 1800 (Schul- und Gemeindereform) kamen dem entgegen. Die Karte von 1830 bestätigt den Neubau schließlich: „Rathaus und Schule 1827 größer neu erbaut“. Sie zeigt auch, dass der hinter dem Gebäude liegende Garten nunmehr ebenfalls der Gemeinde gehörte, nämlich „1827 von Eisenh. Mich. erkauft“ wurde. Im Erdgeschoss des Gebäudes war Platz für die Feuerwehr, den Arrest und die Viehwaage. Im ersten Stock befanden sich das Bürgermeisteramt und die Schulräume, im zweiten Stock die Lehrerwohnung. Nach der Eingliederung Dachtels nach Aidlingen 1971 verblieb die Ortschaftsverwaltung im Haus, mit dem Auszug der einklassigen Schule und der Aufgabe der Lehrerwohnung im Jahr 1963 wurde Platz für das Heimatmuseum des Schwarzwaldvereins – Ortsgruppe Dachtel geschaffen. Dort ist auch ein früheres Schulzimmer ausgestellt.

Besondere Persönlichkeiten des Dachteler Schullebens

Ein Mann, der sich in der reformerischen Zeit Ende des 18. Jahrhunderts nachhaltig für die schulische Entwicklung nicht nur in Dachtel eingesetzt hat, war Pfarrer Philipp Heinrich Schuler. Er war ein Pfarrer mit pietistischem wie aufklärerischem Verständnis und wirkte von 1788 – 1799 in Dachtel. Er war durch eine Reihe von Veröffentlichungen über Dachtel hinaus bekannt und verließ Dachtel, weil er Dekan in Freudenstadt wurde. Er setzte sich kritisch mit dem kirchlichen Zustand in Württemberg auseinander. Da die Kirche zur damaligen Zeit noch die Aufsicht über den Unterricht innehatte, war es für ihn nahe liegend, auch das Schulwesen unter die Lupe zu nehmen. Insbesondere bemängelte bzw. befürwortete er: 1. Die Lehrer bräuchten eine eigene Ausbildungsstätte. 2. Wie in Fabriken und ähnlichen Großbauten sollten Gelder auch in die Schulen fließen, „die Werkstätten des Verstandes und Pflanzplätze …, wo das Wohl der Menschheit bereitet wird“. 3. Da der Unterrichtsausfall durch Mithilfe der Kinder in der Landwirtschaft schädlich sei, führte der nicht nur mit reformerischen Ideen, sondern auch mit Tatkraft ausgestatte Pfarrer Schuler in Dachtel einen zweistündigen Unterricht am Sonntag ein.

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Zu den bemerkenswerten Lehrerpersönlichkeiten des letzten Jahrhunderts gehört Lehrer Heinrich Marstaller, der sich vom gelernten Apotheker- dem Lehrerberuf zuwandte und mit seiner Frau Margarete, geb. Herinisch, einer Krankenschwester, 1925 nach Dachtel kam. Das persönliche Schicksal der Familie gehört zugleich zur Geschichte Dachtels im Dritten Reich. Frau Marstaller war eine – wenn auch getaufte – Jüdin. Lehrer Marstaller wurde daher trotz aller Wertschätzung, die beide wegen ihres beruflichen und sozialen Engagements im Ort genossen, 1939 vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Sie selbst musste 1938 alle ihre Aktivitäten einstellen. Während der Suspendierung wohnte die Familie nicht wie vorher in der Schule, sondern im Pfarrhaus. Die Familie überlebte. Nach dem Krieg konnte Lehrer Marstaller bis zu seiner Pensionierung wieder als Lehrer in Dachtel tätig sein.

Dazu Erinnerungen der damaligen Schülerin Ruth Mohr: Frau Marstaller war angesehen. Sie half den Dachtelern ohne Bezahlung mit ihrer Erfahrung viel. Ich hatte mit sechs Jahren Lungenentzündung. Frau Marstaller kam täglich zur Untersuchung zu mir. Als Lehrer Marstaller vom Dienst suspendiert war, mussten wir Dachteler Kinder von Frühjahr bis Herbst nach Gechingen in die Schule gehen. Ab Herbst kam der Lehrer zu uns nach Dachtel, damit nur einer die Schuhe kaputt machte. Wir mochten ihn nicht, er verteilte viele Tatzen.“

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Wer erinnert sich dagegen nicht gern an den vor wenigen Jahren verstorbenen beliebten Lehrer und engagierten Pädagogen Hans Mozer, der seine fortschrittlichen Unterrichskonzeptionen bis zu seiner Pensionierung als Schulleiter an der Schallenbergschule in Deufringen umsetzte; sie ist seit der Schulzusammenlegung die Grundschule auch für die Dachteler Kinder. Herr Mozer gehörte zugleich dem Aidlinger Gemeinderat an, begründete das Dachteler Heimatmuseum , kümmerte sich um die Dachteler Ortsgeschichte und hat sich darüber hinaus in vielfältiger Weise um Aidlingen und seine Teilorte verdient gemacht.

Quellen: Mozer, Dachtel und Deufringen in alten Ansichten, Bilder Nr. 8 – 11; Ortschronik, Emberger, S. 204 f.; Schurig, S. 337 f., 367, 370 f.; Futter/Häge, S. 510 f.; Müller-Bauer, S. 534 f.

 

von Siegrid Krülle