Nach Befragung von Herrn Ernst Stiefel und Gudrun Kubin, geb. Hanssmann, und Frau Paul Bauer, Metzgermeisterswitwe am Bach, Frau Stummvoll, Frau Ströbel, Hermann Schaible
Wie’s damals im Fasching war !
Heutzutage treibt der Fasching auch in Aidlingen seine Blüten, die Hexen stürmen das Rathaus. Das war nicht immer so, und das Hexentreiben gehört in die allerjüngste Aidlinger Geschichte.
Lediglich Fastnachtsküchle wurden auch in früherer Zeit schon gebacken, erinnert sich eine Aidlingerin. Und von „Kappenabenden“ weiß ein anderer. Da saß man in geselliger Runde in einem Gasthaus beieinander, hatte lustige Hüte auf und sang fröhliche Lieder. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war ansonsten vom Fasching in unserem Ort kaum etwas zu sehen und zu hören. Das kam daher, dass Aidlingen ein nahezu rein evangelischer, zudem pietistisch geprägter Ort war, die Fastnacht mit all ihren fidelen Bräuchen, den Maskeraden und Umzügen aber eine „katholische Sache“ und nur in katholischen Gegenden wie im Oberschwäbischen zu Hause war. Auch in den überwiegend katholischen Orten der hiesigen Umgebung, so in Weil der Stadt und Dätzingen, wurde Fastnacht gefeiert. Wie ein Aidlinger, Jahrgang 1937, erzählt, habe er sich das in fünfziger Jahren dann schon einmal angesehen. Aber viel habe er damit nicht anfangen können.
Aidlingen selbst kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Flüchtlinge und Vertriebenen mit dem Fasching in Berührung. Sie brachten ihre Bräuche, auch die Bezeichnung „Fasching“ aus der alten Heimat mit, mit der alemannischen Fasnet hatte das nichts zu tun. Verkleidung und Dekoration waren bescheiden. Man begnügte sich mit dem, was man hatte, und blieb zunächst auch eher unter sich. Großer Beliebtheit erfreuten sich die Faschingsbälle, die ab 1947 im Saal des Gasthofs Hirsch veranstaltet wurden. So mancher ältere Aidlinger Neubürger lacht noch heute, wenn er an die Vergnügen von damals zurückdenkt. Da hatten sich doch – aus konkretem Anlass – zwei junge Damen mit gleichen Nachthemden, Hauben und Schnullern als neugeborenes Zwillingspärchen verkleidet und traten andere als glanzvolles Brautpaar nebst Brauteltern auf. Und schmunzelnd erzählt eine Aidlingerin, schon über 90 Jahre alt, dass sie auf einem der Bälle als fremde Schöne ihren Mann betört habe, bis er schließlich in der Bar hinter der Gesichtsmaske und der verführerischen roten Perücke seine eigene Ehefrau wiedererkannte. Sie, die aus dem Badischen stammte, habe sich gleich nach der Hochzeit geschworen, sie gehe wieder, wenn ihr Mann nicht lieb zu ihr sei – keine Fastnacht, keine Kirchweih, bei den Schwaben sei es sonst nicht auszuhalten.
Nach und nach hielt der Fasching in kleinerem Rahmen und eher geschlossenen Veranstaltungen bei den Vereinen Einzug, etwa bei den Schützen oder Sängern. Durch die Eröffnung der Sonnenberghalle ergaben sich neue Möglichkeiten, die aber eher den Vereinsinteressen als der Pflege alten Brauchtums dienten. Die Musikkapelle „Piccolo“ machte um jene Zeit Karriere.
In Anknüpfung an die schwäbisch-alemannische Fasnettradition wurden schließlich 1997 die Aidbachhexen aus der Taufe gehoben. Weitere Narrenzünfte folgten, auch in Deufringen und Dachtel. Und selbst die Laimer lassen sich nicht lumpen und veranstalten inzwischen ihren eigenen Fasnetsumzug auf heimischen Straßen.
von Siegrid Krülle