Das frühere Anwesen des Johann Bauer-Bauer (1853-1939) auf dem Platz der heutigen katholischen Kirche wurde kürzlich näher betrachtet. In ähnlichen Verhältnissen wie er und seine Familie lebten die meisten Menschen in unseren Orten in den Jahrzehnten vor und nach 1900.
Wie war das Leben damals für einen Bauern, der nur eine kleine und wenig ertragreiche Landwirtschaft und eine wachsende Schar von Kindern hatte, die es zu versorgen galt? Zwar hatte das 19. Jahrhundert die Bauern von den alten Abhängigkeiten und den Verpflichtungen zur Leistung von Frondiensten und Abgaben befreit. Die wirtschaftlichen Probleme waren damit nicht behoben. Von den Erträgnissen aus der Landwirtschaft blieb nach wie vor wenig übrig, das sich hätte in Geld umsetzen lassen. Getreide, Eier, Milch brauchte man für die eigenen hungrigen Mäuler. Eine Zeitlang konnte man mit dem Hopfen etwas dazuverdienen. Manchmal gab es ein Jungtier im Stall, das man abgeben konnte. In der Familie des Johann Bauer erzählte man sich, dass Johann einmal ein Kälbchen verkaufen wollte und sich dazu mit ihm zu Fuß zum Stuttgarter Markt auf den Weg machte. Wie viele der kleineren Bauern hat auch Johann Bauer versucht, durch eine zusätzliche Tätigkeit zu etwas Geld zu kommen. Er arbeitete nebenbei in der Oberen Mühle, die immer wieder Hilfskräfte brauchte, zum Schleppen von Säcken vor allem und das nicht nur in der Erntezeit.
Für die Arbeit in der Landwirtschaft stand ihm nur ein eigenes Pferd zur Verfügung, Verwandte halfen mit einem zweiten Pferd aus, wenn es notwendig war und die Kühe nicht als Zugtiere ausreichten. Zu Zeiten des Johann Bauer hatte die Mechanisierung die Landwirtschaft noch nicht erreicht, es wurde mit vielen Händen und dem einfachen traditionellen Gerät gearbeitet.
Auf dem Erntefoto haben Johann Bauer und seine Tochter Frieda den Wagen beladen – eine Kunst für sich. Unten die weiteren Helfer: Von links: Der kleine Enkelsohn Karl, geb. 1910, Kind von Sohn Fritz, er führt die Kuh. Karl ist später im Zweiten Weltkrieg gefallen. Dann die Frauen, für die es noch keine Arbeitshosen gab: Marie Kollmer, die Tochter der „Kathre-Bäs“ aus der oberen Wohnung im Hause Bauer, und Johanns Tochter Katharina, mit einer Gabel ausgestattet, mit der die Garben auf den Wagen gehoben wurden. Schließlich die Großmutter Dorothea, die einen Ährenbüschel in der Hand hält.
„In der Ernte war’s anstrengend und im Heu auch“, meint eine Enkelin, die als Kind bei all den Arbeiten geholfen hat. „ Das hat uns nichts ausgemacht, vieles haben wir gern getan. Steinreich waren wir ja auch noch- die schwerste Arbeit gleich im Frühjahr war das Steine Sammeln auf den Äckern, diese Arbeit haben wir gehasst. Wenn der Schnee weg war, es vielleicht noch geregnet hatte, so dass man die Steine besonders gut sehen konnte, ging’s ans Werk. Wir haben die Steine aufgesammelt und im Schurz in die Hecke getragen. Die Steine waren so schwer. Nur wenn es viele Steine waren, hat man sie auf einen Wagen geladen und den an der Hecke abgeladen. So sind auf unseren Feldern die Steinriegel entstanden.
Die Familie hatte nicht nur Mühen, sie hatte auch ihre Freuden. Sie hielt zusammen. Die Atmosphäre im Haus war gut, nicht überall war das so. Die Geschwister halfen sich. Wir besuchten die Verwandten in Stuttgart und Neuweiler und umgekehrt. Dann saßen oft alle im schönen Obstbaumgarten hinter der Scheune beieinander, und manchmal passierte es, dass Johanns Sohn Karl ein Foto machte. Ehe er nach Argentinien auswanderte, absolvierte er hier noch eine fotografische Ausbildung.
Von links nach rechts:Liegend:1.ein „Balinger“ aus Aidlingen. 6; Luise Bauer; 7. Paula, die Tochter von Marie Kallenberger; 10. Wilhelm, Johanns Sohn, „ein lieber Mensch“. Mitte: 1. und 2. Johann Bauer; 3. und 4. Katharine mit Mann; dahinter drei weitere Verwandte.
Für die Kinder jeder Generation war Ostern ein mit viel Vorfreude erwartetes Frühlingsfest. Wir freuten uns aufs „Nescht-Suacha“ und wünschten uns sehnlichst, ein Karamellhase möge drin sein, das war das höchste. An den Feiertagen war das große Treffen auf der Osterwiese, die war gleich hinter unserem bzw. Schäfer Bauers Garten. Wir Kinder warfen mit den Eiern, und die Erwachsenen hatten die Gelegenheit, mit den Leuten aus dem Dorf viele Schwätzle zu halten.
Auch der Großvater hatte an dem jährlichen Vergnügen hinterm Haus seinen Spaß. Wahrscheinlich hatte er in seinen letzten Jahren auch den jüngsten Urenkel Günter Schmid dabei, den kleinen Sohn von Paula Kallenberger. Johann Bauer und seine Schwester hatten dank einer bösen Stiefmutter eine schwere Kindheit erlebt, umso mehr lagen ihm sein Leben lang alle seine Kinder und Kindeskinder am Herzen.“
Siegrid Krülle